Donnerstag, 24. Januar 2013

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TV-Serien


Lilyhammer
Norwegen/USA, 2012-


Im zweiten Programm des Schweizer Fernsehens läuft derzeit jeweils Donnerstagabend in deutscher Erstaufführung die erste Staffel der grandiosen norwegisch/amerikanischen Produktion um einen amerikanischen Mafiosi, der im Rahmen eines Zeugenschutzprogrammes in die norwegische Provinz verschlagen wird.

Trailer


Der Mafiosi, der in die Kälte kam, von Claudia Schwartz

Die Sorgfalt im Umgang mit den Charakteren macht nicht zuletzt den ausserordentlichen Erfolg skandinavischer TV-Serien aus. Dies gilt auch für die achtteilige norwegische Reihe «Lilyhammer» über einen New Yorker Mafioso (Steven van Zandt), der gegen einen lokalen Mafiaboss aussagt und im Rahmen eines Zeugenschutzprogramms nach Norwegen auszuwandern beschliesst. Die Dislozierung eines in der Weltmetropole New York gross gewordenen Gangsters in die Weite des hohen Nordens sorgt in ihrer befremdlichen Konstellation für allerlei dramaturgischen Zündstoff. «Lilyhammer» läuft dabei aber niemals Gefahr, die Figurenzeichnung dem Räderwerk des Plots unterzuordnen.

Skandinavischer Weitblick

Hier, in der norwegischen Schneelandschaft, kommen für ein verloren gegangenes norwegisches Schaf als Besitzer durchschnittlich gerade einmal 56 Einwohner pro Quadratkilometer infrage. Indes funktioniert die soziale Kontrolle in ihrer ganzen Liebenswürdigkeit überraschend gut, womit der ehemalige Mafioso Frank Tagliano, der undercover bleiben muss, nicht gerechnet hat – zumal der Beamte der Ausländerbehörde naturgemäss viele unangenehme Fragen stellt.
Während also die Norweger den untergetauchten Gangster erst einmal sehr fürsorglich ins Integrationsprogramm für Migranten aufnehmen, muss Frank Tagliano erkennen, dass das reale Lillehammer nicht viel gemeinsam hat mit jenem, wie er es nennt: «Lilyhammer», das ihm als norwegischer Schauplatz der Olympischen Winterspiele 1994 in Fernsehbildern von «klarer Luft, frischem weissem Schnee und schönen Frauen» als Sehnsuchtsort vor Augen schwebte.
Tagliano, in New Yorks Unterwelt auch als «The Fixer» berühmt-berüchtigt, strebt eine neue Existenz als Barbesitzer an und erarbeitet sich seinen Platz im norwegischen Sozialstaat dank bewährtem mafiösem Repertoire von Bestechung bis Erpressung. Die norwegische Serie hält durch die Augen des Neuankömmlings der Gesellschaft feinsinnig den Spiegel vor und nimmt die Situation ihres ungewöhnlichen Einwanderers nur so weit auf die leichte Schulter, als es die Dynamik der bizarren Geschichte erfordert. Humorvoll kommt hier denn auch jene Realität zum Tragen, die manchmal hart genug sein kann. Und natürlich spielt dieser Clash der Kulturen auch auf der Metaebene filmischer Glaubensbekenntnisse, wo das amerikanische Mafia-Genre konterkariert wird in langen Einstellungen von kühl arrangierten Schauplätzen und jenem wortkargen Sarkasmus, den man etwa von Kaurismäkis Filmen her kennt.

Mit US-Geldern produziert

Die erste Staffel in acht Episoden wurde in den USA exklusiv vom DVD- und Video-on-Demand-Anbieter Netflix verbreitet, der die Serie mitfinanziert hat. «Lilyhammer» ist ganz auf ihren amerikanischen Hauptdarsteller Steven van Zandt, Gitarrist in Bruce Springsteens E Street Band, ausgerichtet, der hier wiederum in eigener Sache an seine Darbietung in der Serie «The Sopranos» anknüpft. Van Zandt erweckt den Anschein, immer ein wenig neben seiner Figur zu stehen, und erweist sich hiermit als ideale Besetzung, wo das Leben zwischen Tragik und Komik eine eigene dramaturgische Zwangsläufigkeit entwickelt. «Lilyhammer» pflegt mehr die leisen Zwischentöne als die lauten Botschaften.

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