Dienstag, 6. Januar 2015

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Der Youtube-Clip des Tages:
Blue Medicine Music mit Seem to keep raining





Fussball


FA-Cup oder That's why i love football

AFC Wimbledon - Liverpool FC 1:2 (1:1)
Montagabend, Kingsmeadow, 4784 Zuschauer (ausverkauft)
12. Gerrard 0:1, 36. Akinfenwa 1:1, 62. Gerrard 1:2

Fussballabend vom Aller-Aller-Allerfeinsten!

Vom FA-Cup war ich schon als kleiner Bub ungemein fasziniert. Damals, in der Kurzen-Hosen-Zeit, gab es die ersten Farbfernseher und zu empfangen waren ARD, ZDF, ORF und SRF. Fussball gab es sehr selten zu sehen. Regelmässig nur Länderspiele, Samstagabend die ARD-Sportschau und später das ZDF-Studio. Und eben: Jedes Jahr wurde der FA-Cupfinal live aus dem Wembley übertragen. 

Live habe ich dann später, bislang, 4 Cupfinals im Wembley mitverfolgt. Einmal flog ich vergeblich mit Freunden nach London. Die bestellten Tickets für den Final, Brighton and Hove Albion gegen ManU waren nicht mehr erhältlich...

Aber zum Spiel von gestern Abend. 

Wie immer von BBC bestens eingestimmt mit alten Beiträgen.

Und da gibt es bei dieser Begegnung wahrlich viel zu erinnern...

Im Mai 1988 war diese Affiche die Finalpartie im Wembley!
Die Crazy Gang aus Wimbledon, die halbwilden verrückten Spinner, die den Durchmarsch von der 4. Liga in die höchste Spielklasse geschafft hatten und nun plötzlich auch im Cupfinal gegen das grosse Liverpool standen. Das Team um den schelmischen Rabauken Vinnie Jones (der später als Schauspieler Furore machte, natürlich in Schurkenrollen, und heute, schwer krebskrank, um sein Leben ringt). Und natürlich mit einem meiner Kultfussballer, Lawrie Sanchez, der vor 3 Jahren auch eine Saison meine Barnet Bees trainierte. Lawrie war es auch, der in jenem Spiel den Siegtreffer zum 1:0 und zum Cupsieg gegen Liverpool schoss.



Vinnie: Vincent Peter Jones

Nach diesem Pokalerfolg ging es mit dem Wimbledon FC rapide bergab. Die Spieler wechselten zu gut zahlenden Teams und die Mannschaft stieg ab, hatte Finanzprobleme.
2004 ging der Verein Pleite und die Lizenz wurde nach Milton Keynes verkauft. 
In Wimbledon gründeten die alten Vereinsmitglieder einen Nachfolgeverein, statt Wimbledon FC heisst man nun AFC Wimbledon. Und spielt 2014/15 in der 4. Liga (aktuell 12.), wo auch die Barnet Bees letztes Jahr, vor dem Abstieg, kickten.

5. Januar 2015:

Und nun hatte man in Wimbledon wieder einmal die Gelegenheit, gegen einen ganz Grossen des Fussballs zu kicken! Was für eine Stimmung im Kleinstadion. Alle Anwohner waren wohl gekommen, alte Frauen mit Rätschen, Rentner mit blaugelben Perücken, jung und alt in Feststimmung. Riesige Plakate hatten sie gemalt: Resurrection (Auferstehung) stand da geschrieben, oder gross und fett: We are the Beast! 
Jedem Fussballfan musste die grandiose Stimmung Schauer über den Rücken jagen...

Dann liefen sie ein. Die Stars des FC Liverpool und die Busfahrer und Studenten aus Wimbledon. Allerdings machte mich einer richtig betroffen. Inmitten der Wimbledon-Spieler watschelte, im Entengang, ein geschätzt 50jähriger dicker schwarzer Mann. Erst dachte ich, es sei ein Behinderter, der mit einlaufen durfte und irgendeine Botschaft vermittelte.
Aber nein, der alte, dicke schwarze Mann mit der Nummer 10 blieb auf dem Feld und die Partie wurde angepfiffen.
Der Reporter klärte auch gleich auf: Der alte Mann war nicht 50 sondern erst 33, heisst Adebayo Akinfenwa und sein aktuelles Körpergewicht betrage 118 kg...
Akinfenwa spielte denn auch bis zum Schluss, wurde nicht ausgewechselt. Und er machte seine Sache erstaunlich. Es waren zwar keine Laufduelle zu sehen, aber er stand immer gut, stoppte jeden Ball perfekt und gewann praktisch jeden Zweikampf auf engstem Raum. Ovationen beschwor er herauf, als er in einer Szene mit einer Drehung zwei Liverpooler düpierte und sich zwischen ihnen hindurchschlängelte und den Ball mit einem weiten Pass zu einem Mitspieler leitete...

Das Spiel wurde in der ersten Hälfte ganz klar von den Unterklassigen bestimmt, die unentwegt angriffen. Liverpool kam nur mit Glück um ein Gegentor herum. Ging aber schon früh durch einen Konter, den Gerrard mit herrlichem Kopftor abschloss, in Führung.
Die Dons spielten weiter nach vorn. Kurz vor der Pause einer der vielen Eckbälle für Wimbledon. Der Ball fliegt schön in den Strafraum, ein Spieler der Dons steigt am Höchsten und köpfelt an die Latte! Der Ball springt in den Strafraum zurück, vor die Füsse des dicken alten Mannes, der zögert nicht und stochert das Leder ins Netz! Ausgleich!

In der Pause gab Lawrie ein Interview und im Studio waren der ehemalige Crazy-Gang-Goalie Dave Beasant und Alan Shearer ebenso begeistert vom Gebotenen wie ich zuhause vor dem TV!

Nach dem Wechsel übernahmen die Blaugelben sofort wieder das Szepter. Mit ihren schnellen Flügeln kamen sie immer wieder zu guten Gelegenheiten. Gleich 3 Grosschancen hatten sie in den ersten beiden Minuten nach der Pause. Liverpool, mit allen Titularen, konterte aber nach einer Stunde wieder erfolgreich. Ein Angreifer wurde 25 m vor dem Tor gefoult, Freistoss. Und der überragende Gerrard hob den Freistoss über die Mauer, ganz genau ins Eck. Wieder Führung für Liverpool.
Gerrard schoss nicht nur die beiden herrlichen Tore, er rettete später auch noch mit dem Kopf auf der Linie für seinen geschlagenen Goalie.

Wimbledon rackerte weiter für den Ausgleich. Ab der 80 Minute liessen aber die Kräfte des Viertligisten spürbar nach und nun hatte auch Liverpool Torchancen, ohne aber nochmals zu scoren. Die Dons ihrerseits hatte in der vierminütigen Nachspielzeit nochmals zwei Riesenchancen. Sie trafen aber, leider, nicht mehr ins Schwarze...

Abpfiff. Goliath hatte gewonnen. Aber die Begeisterung im Stadiönchen war grenzenlos.
Einigen Dons-Spielern liefen die Tränen ob all dem Jubel über die Wangen.

Was für ein toller, grandioser Abend!



Akinfenwa gleicht aus!



Der dicke, alte Mann wird gefeiert...


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